Einleitung
In seiner vorliegenden Form stellt der Gesetzesentwurf (nicht nur begrifflich) eine Abschaffung der bedarfsorientierten Mindestsicherung dar. Dass das Gesetz statt sozialer Mindeststandards nur noch Höchstsätze (Und das obwohl das Einsparungspotenzial denkbar gering ist: In den Jahren 2016 und 2017 lag der Anteil der Mindestsicherung an den Sozialausgaben unter einem Prozent) festlegt, ist abzulehnen. Die zentrale Aufgabe des Sozialstaates, soziale Sicherheit in Österreich zu schaffen, ist damit gefährdet.
Stattdessen ist zu befürchten, dass Armut in Österreich mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf weiter verschärft wird. Besonders betroffen wären davon sowohl Kinder als auch Frauen – immerhin sind Frauen in Österreich immer noch stärker armutsgefährdet und -betroffen als Männer. Die am häufigsten von Armut berührte Gruppe in Österreich sind Alleinerziehende; 90 Prozent davon sind Frauen. Ihre Situation werden die in dem vorliegenden Gesetzentwurf sinnvollerweise normierten Aufschläge nicht verbessern, da es sich sich dabei um bloße Kann-Bestimmungen handelt.
Dass Armutsbekämpfung und –verhinderung kein Ziel des vorliegenden Entwurfs eines Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes mehr darstellt, ist auch aus einer Gewaltschutzperspektive bedenklich. Denn fehlende Existenzsicherung erhöht nicht nur die Gefahr häuslicher Gewalt. Soziale Absicherung ist notwendig, damit Frauen (und ihre Kinder) in Zeiten von Trennung und Scheidung ein selbstbestimmtes Leben führen können.
Außerdem stellt das Gesetz nicht nur eine (verfassungs-, europa- und völkerrechtswidrige) Schlechterstellung von subsidiär Schutzberechtigten dar. Der geplante Ausschluss von rechtskräftig verurteilten Personen von der Sozialhilfe als Nebenstrafe ist klar menschenenrechtswidrig. Und auch viele andere Menschen(gruppen), für die die Mindestsicherung bisher das letzte soziale Netz war, würden damit weiter von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen.
Aus einer feministischen Perspektive erscheint zudem der Vorrang von Sachleistungen vor Geldleistungen problematisch. Die Regelung ist nicht nur stigmatisierend, sie stellt zudem einen unverhältnismäßigen Eingriff in Autonomie und Selbstbestimmung zukünftiger Sozialhilfeempfängerinnen und –empfänger dar.
Aus diesen Gründen ist der Entwurf in seiner derzeitigen Fassung abzulehnen. Damit der fundamentale Zweck eines Grundsatzgesetzes zur Sozialhilfe, die Vermeidung und Bekämpfung von Armut und sozialer Exklusion sowie die Ermöglichung eines selbstbestimmten Lebens für alle hilfsbedürftigen Menschen in Österreich, gewährleistet werden kann, sollte der Gesetzesentwurf unter Mitwirkung von Expertinnen und Experten grundlegend überarbeitet werden.
Stellungnahme der JURISTINNEN zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz und Sozialhilfe-Statistikgesetz