Frauenspaziergang mit Petra Unger

Veranstaltungsarchiv

Im Rahmen unseres Schwerpunkts 100 Jahre Frauenwahlrecht, anlässlich dessen wir im Oktober 2018 ein Symposium veranstaltet haben, waren DIE JURISTINNEN auf einem Frauenspaziergang mit Petra Unger!

Unser Frauenspaziergang, geleitet von der Kunst- und Kulturvermittlerin Petra Unger MA, beginnt im Hof des Alten Rathauses, in der Wipplingerstraße 6-8, 1010 Wien, an dem Ort an dem die erste österreichische Frauenbewegung Ende des 19. Jahrhunderts ihre erste Sitzung abhielt. Der Erste Demokratische Wiener Frauenverein, gegründet 1848 von Caroline von Perin, einer Adeligen, die sich über die Behandlungsweise von Arbeiterinnen empörte, exisitierte nur zwei Monate lang. Von Perin war mit ihren Idealen und ihrem Verein, der politisch, sozial und human ausgerichtet sein sollte, ihrer Zeit weit voraus.  Wir erfahren, dass im Alten Rathaus Auguste Fickert gemeinsam mit Rosa Mayreder und Marie Lang 1893 den Allgemeinen Österreichischen Frauenverein gründeten, der es sich u.a. zum Ziel setzte, das allgemeine Wahlrecht für Frauen zu erwirken. Da es für Frauen bis 1918 gemäß  § 30 StGB verboten war, einen politischen Verein zu gründen bzw. in einem solchen Mitglied zu sein, war die Vereinsgründung erst nach Abänderung der Statuten bewilligt worden. Seit 1848 durften vermögende, bürgerliche Frauen bereits wählen. Allerdings befanden sich Frauen mit Vermögen allgemein in der Minderheit.  Gemeinsam brachten die Gründerinnen des Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins auch die politische Zeitschrift Dokumente der Frauen heraus und starteten die Petition für ein allgemeines Wahlrecht ohne Unterschied nach Geschlecht, gesellschaftlicher Stellung, etc.

Der Frauenspaziergang durch die Innere Stadt führt uns zu unserer zweiten Station, Tuchlauben 11. Hier fand der Neue Wiener Frauenklub sein Heim. Im 19. Jahrhundert durften Frauen noch nicht alleine ins Kaffeehaus gehen, weshalb dieser Treffpunkt mit Billardtisch ein wesentlicher für Frauen außerhalb des Hauses war.

Marianne Heinisch, deren Vater und Ehemann Industrielle waren, wurde sich während der Wirtschaftskrise bewusst, dass bürgerliche Frauen völlig von ihren Ehemännern abhängig waren. Sie war der Meinung, dass Frauen auch ausgebildet werden mussten, um selbst auch einen Unterhalt erwirtschaften zu können. Arbeiterinnen konnten das seit der Industrialisierung, bürgerliche Frauen waren weiterhin rein für das Private zuständig.

Am Weg zum Friedensmuseum erfahren wir über die katholische Frauenbewegung, die im 19. Jhdt. als Laienbewegung ensteht. Hildegard Burjan, eine Jüdin, die zum Katholizisms konvertiert war, zog als erste christlich-soziale Akademikerin in den Nationalrat ein. Sie gründete die Caritas Socialis trotz vieler Steine, die Ignaz Seipel und andere ihr in den Weg legten. Olga Rudel-Zynek war die erste Frau in Österreich, die dem Bundesrat vorstand.

Petra Unger gibt uns den Lesetipp “Das Buch von der Stadt der Frauen” von Christine de Pizan, das diese 1405 verfasst und schon damals die Widersprüche in den Charakterisierungen der Frauen hervorhob.

Wissensvermittlerin Petra Unger beim Stadtspaziergang
(c) Valerie Baldinger

Unsere nächste Station am Frauenspaziergang führt uns zum Friedensmuseum in der Blutgasse, wo uns unsere Stadtführerin über Bertha von Suttners Leben erzählt, wie sie unter dem Pseudonym “Jemand” schrieb, damit sie von männlichen Intelektuellen ernst genommen würde, von ihrer Freundschaft mit Alfred Nobel, ihrem Werk “Die Waffen nieder”, ihrer These, dass Frauen genauso blutrünstig seien wie Männer und die Sozialisierung als Frau keine bestimmte politische Haltung mit sich bringt.

Schließlich kommen wir zum Trattnerhof am Graben, wo das Vorgängermodell des Neuen Wiener Frauenklubs, während seiner kurzen Existenz seine Räumlichkeiten hatte.

Bei der Michaelerkirche angekommen erzählt uns Petra Unger von der Revolution im Jahre 1848 und den Forderungen der Revolutionäre und insbesondere der Revolutionärinnen. Sexarbeiterinnen forderten die Abschaffung der Habsburger-Monarchie, bürgerliche Frauen das Recht, Hofdamen werden zu können und Arbeiterinnen forderten gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Die demonstrierenden Frauen waren dabei unbewaffnet und ungeschützt. Zur Strafe für ihr Aufbegehren wurden ihnen sogar die Brüste abgeschnitten.

Wir passieren den Trattnerhof und kommen zum Inneren Burghof der Hofburg. Hier sprechen wir über die Anfänge des ABGBs aus dem Jahr 1811, in dem verschriftlicht worden ist, dass der Mann Oberhaupt der Familie ist. Nur mit seiner Erlaubnis durfte eine verheiratete Frau einen Beruf aufnehmen. Die Streichung dieses § erfolgte erst mit der “partnerschaftlichen Reform” des ABGBs im Jahr 1975. 1989 wurden erst uneheliche Kinder den ehelichen gesetzlich gleichgestellt.

Ein Fenster, in dem ein Kunstwerk hängt, auf dem eine Frau zu sehen ist und der Schriftzug "One of the eternal rights is the individual right to live"
(c) Valerie Baldinger

Unsere letzte Station auf diesem Frauenspaziergang ist der Ballhausplatz. Hier erzählt uns Petra Unger abschließend über die großen Errungenschaften Johanna Dohnals. Eine der wichtigsten war die Durchsetzung der Fristenlösung. Abtreibung war von Maria Theresia strafrechtlich verboten worden. Bis heute sind Verhütungsmittel in Österreich kostenpflichtig, es gibt nicht ausreichend Abtreibungskliniken und man kann keinen Arzt bzw. Ärztin dazu zwingen, eine Abtreibung vorzunehmen, wenn diese/r einen solchen medizinischen Eingriff aus persönlichen Gründen ablehnt. Frau Unger weist uns auf das Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch in 1150 Wien hin. Dohnals zweite erwähnenswerte Errungenschaft ist das Gewaltschutzgesetz, welches 1995 fertig noch zwei weitere Jahre vom Parlament blockiert worden war. Der Österreichische Frauenring, Dachverband österreichischer Frauen-Vereine, geht auch auf eine Initiative Dohnals zurück.

Petra Ungers Homepage

„Sie meinen es politisch!“ – 100 Jahre Frauenwahlrecht im Volkskundemuseum