Stellungnahme der Juristinnen zur ASVG-Novelle 2015

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Das Sozialrechtsänderungsgesetz 2015 hat am 24.11.2015 den Ministerrat passiert – ohne die umstrittenen Änderung für SexarbeiterInnen, wonach diese künftig grundsätzlich und unabhängig von den tatsächlichen Arbeitsbedingungen von der ASVG-Vollversicherung ausgeschlossen werden sollten. Die Novelle wird an dem 1. Jänner 2016 gelten.

Diskriminierung und Stigmatisierung von SexarbeiterInnen gesellschaftlich und rechtlich entgegengewirken

Der Verein österreichischer Juristinnen spricht sich für eine Stärkung der Rechte und eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von SexarbeiterInnen aus. Die Rechtslage sollte jedenfalls dazu beitragen, faktische Abhängigkeitsverhältnisse von SexarbeiterInnen abzubauen. Insbesondere ordnungsrechtliche Einschränkungen und Bewertungen von Sittenwidrigkeit führen dazu, SexarbeiterInnen im rechtlichen Raum schutzlos zu stellen.

Demgegenüber führen z.B. sozialrechtliche Absicherung und die Möglichkeit, Entgeltforderungen durchzusetzen, dazu, die autonome Lebensgestaltung zu stärken. Gerade auch Schutzvorschriften, die sich aus einer Einbeziehung in arbeits- und sozialrechtliche Regelungen ergeben, können aus Sicht des Vereins österreichischer Juristinnen dazu beitragen, Ausbeutungsverhältnisse bei Sexdienstleistungen, vor allem bei jenen, die im Bordellbetrieb erbracht werden, zu reduzieren.

Ausschluss von SexarbeiterInnen von der ASVG-Vollversicherung

Der Gesetzesentwurf sieht in § 5 Abs 1 Z 17 ASVG vor, SexarbeiterInnen künftig
von der Vollversicherung nach § 4 ASVG auszunehmen und nach § 8 Abs 1 Z 3 ASVG
nur mehr in die Unfallversicherung einzubeziehen. Gem § 2 GSVG sollen sie zukünftig
in die Kranken- und Pensionsversicherung des Gewerblichen
Sozialversicherungsgesetzes einbezogen werden.
Das würde bedeuten, SexarbeiterInnen per gesetzlicher Bestimmung explizit aus
dem ASVG auszunehmen – und zwar unabhängig von ihrer tatsächlichen Arbeitssituation.
Sie könnten sich damit zukünftig ausschließlich als Selbstständige
versichern. Auch eine Einordung von SexarbeiterInnen als freie
DienstnehmerInnen wäre damit nicht mehr möglich. Aus den Erläuterungen geht
hervor, dass selbst dann kein sozialversicherungsrechtliches Dienstverhältnis
vorliegen dürfe, wenn seitens der Finanzverwaltung in einem Abgaben- und
Haftungsbescheid rechtkräftig festgestellt wurde, dass Lohnsteuerpflicht besteht.

Forderungen

Der Verein österreichischer Juristinnen empfiehlt daher dringend, von dem
gesetzlichen Vorhaben, SexarbeiterInnen aus der Vollversicherung nach dem
ASVG auszunehmen, Abstand zu nehmen. Vielmehr sollten Kontrollen der
tatsächlichen Arbeitsbedingungen in Bordellbetrieben durch die zuständigen
Behörden vermehrt durchgeführt und stärker koordiniert werden – selbstverständlich
immer unter besonderer Beachtung der Würde und des Schutzes der
SexarbeiterInnen. Außerdem wird angeregt seitens des Ministeriums eine
bundesweite Informationskampagne zur Stärkung der Rechte und zur Verbesserung
der Lebens- und Arbeitsbedingungen von SexarbeiterInnen durchzuführen.

Die ausführliche Stellungnahme als pdf.